Wieviele Geschichten kann ein einfaches Gemälde verstecken?
Heute springen wir ganz nach vorne, fast schon in die moderne Zeit. Wir sind etwa in der Mitte des 19.Jahrhunderts und schauen uns ein Gemälde von Victor Alfred Paul Vignon, heute bekannt unter dem Titel „La rose de Malmaison“ (in der Ausstellung von 1866 hieß es noch „Le temple d’Amour“)
Auf dem Bild sehen wir einen jungen Mann in der Mitte, umgeben von vielen schönen, edel angezogenen Frauen. Ein Familienidyll, könnte man sagen, doch stimmt das?
Der Herr in der Mitte ist Napoleon. Zu ihm kann man stehen, wie man möchte. Für die einen ist er der größte Herrführer aller Zeiten, für die anderen überschätzter Tyrann. Doch unzweifelhaft steht die Tatsache fest, dass er Europa und ihr kulturelles, militärisches wie auch politisches Leben geprägt hatte, wie kaum ein anderer und seine siegreichen Schlachten wie auch das Scheitern seiner Grande Armee in den eisigen Flächen Russland bis heute legendär sind.
Auf diesem Gemälde Vigneaus steht er natürlich zentral als junger Konsul vor. Er trägt seine militärische Uniform und dominiert durch seine erhabene Person die anwesenden Frauen, aber gleichzeitig wirkt er merkwürdig unscheinbar in seinem grünen Rock, welches sich kaum vom Hintergrund abhebt, während die versammelten Frauen in ihren edlen Kleidern regelrecht strahlen und ihn in den Hintergrund drängen. Passt aber irgendwie zu dem Korsen, er wirkte eine ganze Weile als graue Eminenz im Hintergrund. Zumindest eine zeitlang…
Wer sind all diese Frauen?
Napoleon reicht eine Rose einer schönen Frau im weißen Kleid. Es ist Josephine, seine Ehefrau. Sie führte auch ein bewegtes Leben, ihr erster Mann (mit dem sie allerdings beinahe auf Kriegsfuss lebte) wurde hingerichtet und sie selbst sollte vor Robespierre und seinem gefürchtetet Revolutionstribunal erscheinen, doch glücklicherweise wurde dieser gerade noch rechtzeitig gestürzt. Ihr Ehe hingegen mit Napoleon war, zumindest anfangs, glücklich, auch wenn dieser ihre Schulden erst dann vollständig tilgte, als er Kaiser wurde… Doch am Ende musste sie gehen, da sie offenbar keine Kinder bekommen und damit Napoleon keinen Nachfolger geben konnte. Sie wurde die erste, die unter dem neuen Code Civil geschieden wurde. Josephine, was ein gern in Filmen und Biografien unterdrücktes Faktum ist, war übrigens Befürtwörterin der Sklaverei und forderte Napoleon auf, diese wieder einzuführen, da die Zuckerrohrplantagen ihrer Eltern auf Martinique ohne der afrikanischen Sklaven nicht zu bewirtschaften waren.
Von uns aus gesehen rechts sitzt ihre Tochter, Hortense Eugenie Cecile de Beauharnais. Deren Vater ist aber nicht Napoleon, sondern Alexandre, Vicomte de Beauharnais, der 1794 in Paris guillotiniert wurde mit gerade mal 34 Jahren. Es existiert eine Legende, dass die beliebten Hortensien nach ihr benannt wurden, da sie diese leidenschaftlich liebte. Die Sage stimmt aber nicht, der Name wurde vom Botaniker Philibert Commercon bereits 1771 erwähnt.
Die Dame dahinter, im Kleid mit roten Ärmeln, leicht nach vorne gedreht, ist Caroline Murat, die jüngste Schwester von Napoleon und Königin von Neapel, eine Frau, die viele Affären hatte (wie ihr Mann übrigens auch) und ein sehr bewegtes Leben führte, bevor sie 1839 in Florenz starb, nachdem ihr Mann bereits 1815 auf Anordnung des Bourbonenkönigs Ferdinand IV. standrechtlich eschossen wurde.
Caroline hatte eine Schwester, Pauline, eigentlich Paoletta Buonaparte oder Paolina Borghese. Sie war die Lieblingsschwester Napoleons und Herzogin von Borghese. Allerdings heiratete sie Camillo Borghese vor allem deswegen, um ihre Schwägerin Josephine de Beauharnais mit einem älteren und edleren Titel zu übertrumpfen. Sie saß unter anderem Casanova Modell für dessen wunderschöne Skulptur Venus Vitrix (steht übrigens in der Villa Borghese in Rom). Und ja, sie ist fast nackt drauf. Auf dem Gemälde ist es die Dame in Schwarz, sie trägt Trauer nach dem Tod ihres einzigen Sohnes Dermide.
Die nur teilweise sichtbare Frau hinter Pauline, im lila Kleid, ist Marie-Julie Bonaparte (Clary), Ehefrau von Joseph Bonaparte und Königin von Neapel-Sizilien sowie Spanien. Als sie ihn heiratete, war er gerade mal ein aus Korsika geflohener Rechtsanwalt und junger Offizier. Da hätte sie sich sicherlich nicht gedacht, nur wenige Jahre später Königin zu werden…
Die restlichen vier Damen gehören zur Entourage von Josephine, von denen ich jetzt aber nur eine genauer vorstellen möchte. Die Dame in gelb ist Emilie de Beauharnais, Gräfin de Lavalette. Sie galt als zweithöchste der Palastdamen von Josephine (nach Adelaide de La Rochefoucald). Als ihr Mann unter Ludwig XVIII zum Tode verurteilt wurde, tauschte sie beim letzten Besuch vor der Hinrichtung mit ihrem Mann die Kleidung, so dass dieser, nun als Frau verkleidet, fliehen konnte. Die Gräfin wurde daraufhin wegen Beihilfe zur Flucht eingesperrt. Die Haftbedingungen und die Verhöre waren so schrecklich, dass sie den Verstand verlor.
Das besondere an dem Gemälde ist, dass wir gar nicht wissen, ob diese Szene so stattgefunden hatte, denn einige der Frauen waren sich unter einander spinnefeind, wenn nicht sogar verhasst. Aber solche idyllischen Bilder waren gern gesehen und täuschten gern Glück und Zufriedenheit vor…