Heute schauen wir uns ein Gemälde von Caravaggio an, bzw. wie Michelangelo Merisi da Caravaggio, wie der Maler eigentlich mit Namen hieß.

Wir sehen eine junge, schöne Frau, vornehm, mit stolzem Blick, in ein prächtiges blaues Kleid angezogen. Sie lehnt sich auf ein Rad, welches offensichtlich zerbrochen ist und hält ein Degen in der Hand. Vor ihr, auf einem roten Kissen, liegt ein vertrockneter Palmwedel. Wer ist sie?

Wir springen zurück in die Zeit, zum römischen Kaiser Maxentius (306-312). Maxentius war kein schlechter Kaiser, hatte jedoch das Pech, in der Schlacht an der Milvischen Brücke gegen den christlichen Kaiser Konstantin den Großen getötet zu werden. So verklärte ihn die christiliche Tradition sowie viele spätere heidnische Quellen zu einem grausamen, blutrünstigen Tyrannen und Christenmörder. Erst moderne Forschung revidierte dieses anderthalb Tausend Jahre bestehendes Urteil.

Katharina von Alexandrien hingegen steht als strahlendes Gegenpart zu dem gemeinen Kaiser. Sie ist die schöne Tochter des heidnischen Königs Costus und seiner Frau Sabinella, die beide in Alexandrien um ca. 300 n. Chr. regieren. Eines Tages wird sie von einem Eremiten zum christlichen Glauben bekehrt und ca. 1596 von Caravaggio in dem vorliegenden Bild gemalt.

Als der Tyrann Maxentius damit beginnt, die Christen zu verfolgen, stellt sich die mutige Katharina ihm entgegen und fragt ihn, warum er sich nicht zum Christentum bekehrt. Der wütende Kaiser stellt seine besten 50 Philosophem und Gelehrten auf, um mit ihr zu disputieren und… Katharina bekehrt sie alle zum Christentum. Also schickt der böse Kaiser alle fünfzig eben sofort auf den Scheiterhaufen…

Sogar die Kaiserin Faustina ist so beeindruckt von der jungen Dame, dass sie persönlich in die Verliese geht, um sie zum Heidentum zu bekehren. Doch statt dessen wird eben SIE von Katharina zu Christin gemacht und… ebenfalls hingerichtet. Wie man sieht, lebte man damals als Ehefrau eines mächtigen Mannes sehr, sehr gefährlich…

Katharina wird zwölf Tage lang jeden Tag gepeitscht und ohne Essen und Trinken in einem dunklen Verließ eingesperrt. Doch natürlich, wir sind ja in einer Heiligenlegende, kommt jeden Tag ein Engel und heilt ihre Wunden, während eine weiße Taube ihr Essen bringt.

Auf Befehl des Kaisers soll Katharina auf eine fürchterliche Weise getötet werden: sie soll mit einem Rad hingerichtet werden. Vier große Räder, mit eisernen Sägen und spitzen Nägeln sind es, von denen zwei nach unten und zwei nach oben bewegt werden, so dass sie die Frau in Stücke zerrissen wird. Entsetzlicher Tod, doch als das Werkzeug aufgestellt wird, fällt vom Himmel ein Engel nieder und zerstört die Räder mit solcher Wucht, dass gleich 4000 Heiden mit getötet werden. Das ist die Erklärung für das Rad mit Dornen hinter Katharina, zerbrochen durch die kräftige Faust des Engels.

Doch natürlich geben die bösen heidnischen Römer (eigentlich aber stam Maxentius Vater aus dem Gebiet des heutigen Ungarns und seine Mutter aus Syrien) nicht so leicht auf. Katharina wird eben enthauptet. Sie trägt auf dem Gemälde Caravaggios daher ein Schwert, noch mit Blutspuren getränkt, mit dem sie hingerichtet wurde. Na ja, nicht ganz, denn mit einem solchen Degen läßt sich eine Enthauptung nicht durchführen, aber Caravaggio fand wohl Degen schöner und passender, als einen plumpen Kurzschwert der Römer.

Und die prominent gelegte Palmenwedel? Sie gelten in der christlichen Tradition als Symbol der Märtyrer. Vermutlich zurückzuführen auf die Offenbarung Johannes, wo vor dem Thron Christus viele Heilige mit Palmenzweigen standen. Wo man auf einem Gemälde Palmwedel sieht, wissen wir gleich: da ist jemand eines sehr üblen Todes für den Glauben gestorben.

Soweit, so gut. Nur gibt es an der schönen Erklärung ein paar unschöne Risse.

Erst einmal gab es Katharina wohl nie. Es gibt keinen historischen Nachweis, dass sie je gelebt hatte. Und ihre Reliquien, die sich in Katharinenkloster auf dem Berg Sinai befinden? Sie wurden erst im 8. (oder gar 10. da divergieren die Quellen) Jahrhundert gefunden. Ja, Katharina soll der Legende nach auf dem Berg Sinai beerdigt worden sein, aber ob man wirklich nach fünf Hundert Jahren genau ihre Knochen finden konnte, das soll bitte jeder für sich selbst entscheiden.

Aber auch im Bild Caravaggio gibt es einen sehr pikanten Riss. Die schöne Frau, die uns so ruhig anschaut, ist vermutlich Filide Melandroni, eine der Lieblingsmodels des Malers (auch wenn die moderne Kunstgeschichte eher davon ausgeht, dass er sie als Typus abstrahierte). Filide war eine stadtbekannte… Kurtisane. Dabei wurde das Gemälde für die Sammlung des Kardinals Francesco Maria Del Monte geschaffen, zu dessen Haushalt Caravaggio gehörte. Man könne sich die Verlegenheit so mancher Besucher vorstellen, dem bei Besichtigung der Sammlung Del Montes dieses ihm vielleicht aus der horizontalen so bekanntes Gesicht begegnete…

Ach, übrigens, da Katharina so gewandt war mit ihrer Zunge (sehe die fünzig Bekehrten, die nachher auf dem Scheiterhaufen landeten) gilt Katharina heute als Helferin bei Sprachschwierigkeiten und Zungenleiden. Daneben ist sie Schutzpatronin der Schulen, aber auch der Näherinnen und Schneiderinnen.