Nach der schweren Kost der letzten Tage mit Maria Magdalena springen wir heute in das leichte, fröhliche Rokoko. Zum Antoine Watteau mit seinem monumentale 3 Meter breiten Gemälde „Das Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint“
Wir blicken von der Strasse aus in das Innere einer Gemäldegalerie in Paris, welches voller Kunden ist, gut gekleidet, vornehm, elegant. Sie stehen diagonal von links unten nach rechts oben ausgerichtet, sozusagen von der Strassenseite aus bis in das Innere hin, einerseits als versteckte Aufforderung, den Laden zu betreten, zweitens wird auch so der Vorgang des Kaufes versinnbildlicht.
Links betritt gerade ein junges Paar den Laden. Die Dame steht sogar noch mit einem Fuss auf dem Trottoir und ist erst im Begriff, den Raum zu betreten. Gerade als sie hereinkommen, wird ein Porträt vom Ludwig XIV. verpackt, schön in Stroh, damit es nicht bechädigt wird. Ein zweiter Diener, der einen Spiegel trägt, schaut neugierig rein, auch der Lastenträger steht bereit, um die schwere Kiste zu tragen. Das Porträt, eine Replik von Rigauds Gemälde, ist ein dezenter Hinweis auf den alten Namen des Ladens Gersaint: „Au Grand Monarque“
Weiter rechts sehen wir ein zweites Paar, welches sich intensiv ein ovales Gemälde anschaut, möglicherweise „Diana entdeckt die Schwangerschaft der Castillo“. Die ältere Dame hält ein Lorgnon in der Hand, um sich die gezeichnete Natur genauer anzuschauen, während ihr Mann auf dem Boden kniet… um die im Kunstwerk abgebildeten Nackten besser zu sehen. Typisch Watteau, dieser kleine Scherz… Der Herr ist offenbar schon ganz schön steif im Rücken, so mühsam, wie er sich beugt und sich sogar auf sein Spazierstock stützen muss, was aber seinem Interesse an schönen Nymphen natürlich keinen Abbruch tut…
Die dritte Gruppe befindet sich nun am Verkaufstresen. Die elegante Dame sitzt, im exakten Gegensatz zu der Frau in Rosa links, die uns den Rücken zuwendet, komplett nach vorne gedreht. Zusammen mit zwei Herren blicken sie einen von der Verkäuferin präsentierten Spiegel rein, natürlich mit der vornehmen Gelassenheit und Langeweile, die ihrem Stand angemessen ist.
Und der Hund rechts? Das ist eben nur ein Hund 😉
Wirft man einen genaueren Blick auf das Gemälde, so wirkt der Strohbündel links etwas unpassend. Vermutlich handelt es sich um eine Übermalung von Jean-Baptiste Pater, Watteaus Schüler. Eigentlich war da nämlich eine mit Stroh beladene Karre vorgesehen.
Dass wir das Gemälde überhaupt noch betrachten können, ist schon fast ein Wunder. Es war nämlich, als Ladenreklame, unter dem Vordach dirrekt über dem Schaufenster ausgestellt, Wind und Wetter völlig ungeschützt. Na ja, es war ja auch kein Gemälde für die Galerie, sondern eben nur gewöhnliche Ladenreklame. Und es war mal größer, ein gut 30 cm breiter Streifen wurde irgendwann von irgendwem (möglicherweise Pater) abgeschnitten, um beide Teile in ihrem Format aneinander anzupassen.
Mittlerweile steht es im Konzertzimmer im Schloss Charlottenburg, wohin es ca 1744 vom Friedrich dem Großen durch die Vermittlung von Friedrich Rudolph Graf von Rothenburg gekauft wurde. Für 8000 Livres, eine Summe, über die sich der Alte Fritz entsetzt als „exorbitant“ geäußert hatte. Meines Erachtens hat es sich aber gelohnt!