In wenigen Tagen feiern die Christen die Geburt Jesu, das Weihnachtsfest, eines der wichtigsten des kirchlichen Jahres. Als ein solches ist das Bild Marias und (optional) Josefs an der Krippe eines der wichtigsten Sujets der Kunstgeschichte.
Heute möchte ich mit Euch zusammen einen Blick werfen auf die Umsetzung des Themas durch Sandro Botticelli in seinem Gemälde „Mystische Geburt“
Für uns heutzutage ist Weihnachten ein fröhliches Fest. Wir geben und bekommen Geschenke, verbringen Zeit mit der Familie, das Fernsehen flutet uns mit, mehr oder weniger kitschigen, Weihnachtsfilmen. Doch so war es nicht immer.
Als Botticelli das Gemälde gegen Ende des 15. Jahrhunderts malt, herrscht Untergangsstimmung in Florenz. Soeben wurde Savonarola vebrannt, apokalyptische Visionen und Endzeitahnungen machen sich breit in der Bevölkerung. Die Menschen haben Angst, dass nun, nach 1500 Jahren der Geschichte, die Zeit zu Ende sein wird, die Welt untergeht und alle Menschen sich für ihre Sünden vor Gottes Gericht verantworten werden müssen.
In welcher Stimmung der Maler ist, schreibt er selbst auf griechisch im oberen Teil des Gemäldes: „Dieses Bild malte ich, Alessandro, am Ende des Jahres 1500, in den Wirren Italiens […] während der Erfüllung der elften des Johannes, in der zweiten Plage der Apokalypse, während der Teufel für drei und ein halbes Jahr losgelassen war“
In der Mitte des Gemäldes sehen wir Maria, wie sie sich über ihr Kind beugt. Sie ist die größte Figur im Gemälde, dazu befindet sich ihr Auge exakt in der Bildmitte (wenn man die Inschrift oben außen vor lässt), weshalb sie automatisch im Zentrum der Aufmerksamkeit des Betrachtes landet. Sie kniet vor einer kleinen steinernen Hölle inmitten einer bewaldeten Landschaft. Ein kleines Vordach schirmt die Familie vor dem Wetter, wie eine Art Kirche um die drei Menschen und die Tiere.
Im oberen Teil des Bildes tanzen Engel im Himmel vor der goldenen Glorie und feiern das Ereignis. Drei sind heruntergestiegen auf das Dach der natürlichen Kirche und verkünden aus dem Evangelium die Geburt Jesus.
Umso merkwürdiger ist der untere Teil des Gemäldes: hier umarmen sich Engel und Menschen, während kleine Teufel an Stangen gebunden werden. Die Menschen halten kleine Schriftbänder in der Hand, auf denen steht: „Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind“.
Nach den vielen harten Jahren für Florenz, nach der Apokalypse des Untergangs bildet Botticelli auf dem Gemälde eine neue Hoffnung: Maria, als Symbol der Kirche, zentral im Mittelpunkt, gebärt den Erlöser, der das Böse und den Teufel besiegt und den Menschen Frieden bringt. Im Hintergrund schimmert bereits hell der Morgen, der neue Tag bricht ein und endlich, endlich wieder Frieden.
Welch ein Unterschied zwischen diesem Gemälde und seinen schönen Frauengestalten von früher. Maria ist der auf der Muschel reitenden Venus zwar ähnlich, doch so viel anders. Sie ist im Gebet versunken, nicht mehr nackt, sondern sogar auch noch ihre Haare sind züchtig bedeckt. Ihr Gesicht ist ernst, fast traurig. Josef sitzt neben ihr auf dem Boden, regelrecht in sich versunken, wohl ahnend, welches schwere Schicksal seinem Kind bevor steht.
Vom Bezug zur Antike keine Spur mehr, die Freude und Ungezwungenheit der frühen Jahre sind vorbei. Botticelli ahnt, dass sich sein Leben dem Ende nähert, er ist tief erschüttert durch den Tod seines Freundes Savonarola, verunsichert, voller Angst. Nur noch im Glauben findet er Ruhe, so sehr ist seine Sehnsucht nach Hoffnung, dass er sogar das Jahr 1503 als Wiedergeburt der Kirche und des Friedens errechnet. Auch in seinen anderen Gemälden dieser Zeit merkt man die Veränderung: die Bilder werden dramatischer, unruhiger, abgehackter. Man spürt förmlich die Verunsicherung des Künstlers. Er kann kaum noch arbeiten, möglicherweise hat er eine Behinderung, Vasari beschreibt ihn als einen armen Mann, der auf Krücken humpelt. Nicht einmal sein Sterbedatum ist bekannt, wir wissen nur, dass er am 17. Mai 1510 beerdigt wurde.