Sir Thomas Morus, bzw. eigentlich Thomas More, wurde vermutlich am 7. Februar 1478 in London geboren. Sein Porträt von Hans Holbein dem Jüngeren, gemalt 1527, gilt als ein typischer Vertreter der Hofporträts, eines Genre sehr beliebten in und um das 16. Jahrhundert, wo sich Mächtige und Reiche gern mit allen Insignien ihrer Macht und Reichtums porträtieren liessen.
Thomas Morus war bereits ab 1504 Mitglied des Parlaments, wo er unter anderem gegen die Steuererhönungen Heinrichs VII. Widerspruch anlegte. Offenbar vertrug er sich aber trotzdem sehr gut mit der königlichen Familie, denn bereits unter seinem Sohn und Nachfolger Heinrich VII. wurde er zum Undersheriff von London und auf diplomatische Reisen geschickt. Dabei war er so erfolgreich, dass er ab 1523, nun als Knight Bachelor, sich Sir Thomas Morus nennen durfte.
Im berühmten Streit des Königs mit dem Papst um die Scheidung von seiner ersten Ehefrau akzeptierte Morus, ein sehr gläubiger Katholik, als Lordkanzler die Position des Papstes: eine Scheidung ist unmöglich. Eine sehr gefährliche Einstellung bei einem König, der sich nicht scheute, seinen Gegner und sogar seinen eigenen Ehefrauen kurzerhand den Kopf abzuschlagen…
Scheinbar rechtzeitig tritt Morus am 16. Mai 1532 vom Amt des Lordkanzlers zurück. Einerseits, um als Katholik nicht dem König und seiner neuen Kirche dienen zu müssen, aber auch gleichzeitig um der möglichen Verfolgung zu entgehen. Vermutlich aber auch spielten gesundheitliche Gründe keine geringe Rolle an dieser Entscheidung.
Doch leider hielt seine Sicherheit nicht sehr lange. Im April 1534 wurde er aufgefordert, ein Eid auf das Gesetz Heinrichs zu schwören, welches jede Authorität des Papstes zurückwies. Morus weigerte sich und landete im Tower von London.
Thomas Morus wusste nun, dass seine letzte Stunde geschlagen hat. Das Urteil des Gerichts stand von vornherein fest, es könnte nur den Tod geben. Morus schrieb im Kerker, in der zu erwartenden Strafe, diverse Traktate und Trostschriften, die, gemeinsam mit der von ihm in der Zeit als Undersheriff verfassten Biografie des Königs Richards III. als Meilensteine der englischen Prosa gelten.
Am 6. Juli 1535 betrat Thomas Morus das Schafott auf dem Tower Hill. Im Urteil wurde er eigentlich zu der fürchterlichen Strafe des Hängen, Ausweiden und Verteilens verurteilt: der Verurteilte wird zuerst zum Richtplatz auf einem Gatter gezerrt, dann gehängt bis kurz vor dem Tod, daraufhin wird ihm bei lebendigem Leib die Bauchhöhle geöffnet und seine Gedärme rausgeholt, sowie anschließend verbrannnt. Doch zum Glück wusste der König noch um seine Verdienste und änderte die Strafe zum Enthaupten. Aber leider lebt man damals in einer sehr grausamen Zeit: sein Kopf wird ein Monat lang auf der London Bridge zur Schau gestellt, bevor es von seiner Tochter Margaret Roper gegen Bestechungsgeld abgeholt und in der Familiengruft beerdigt wird.
Angeblich hat Morus dem Henker direkt vor der Hinrichtung übrigens gesagt, er solle beim Zuschlagen bitte auf seinen schönen Bart achten, da dieser ja keinen Hochverrat begangen hatte…
Auf dem Gemälde von Holbein sehen wir Thomas Morus als Kanzler des Herzogtums Lancaster. Er ist ein Mann in mittleren Jahren, reich angezogen in einen prächtigen Gewand aus rotem und schwarzem Samt, mit einer goldenen, schweren Kette um den Hals und einem schwarzen Hut. Sein Blick ist fest, konzentriert und auf etwas in weiter Ferne gerichtet. In der Hand hält er ein Schreiben, vermutlich denkt er darüber nach, was darin stand und wie er mit der Nachricht umzugehen hat? Er lehnt sich etwas an einen Holztisch, sondern trotzdem strahlt er keine Schwäche sondern Macht und Entschlossenheit aus. Der grüne Vorhang hinter ihm ist leicht zur Seite geschürzt, vielleicht als Zeichen davon, dass der Kanzler alle Geheimnisse erkennt und die Wahrheit dahinter herausfindet?