Heilige sind sehr häufiges Motiv in der Kunst vieler Epochen. Nicht selten hat die Abbildung aber gar nichts mehr mit der Wahrheit zu tun: Volksfrömmigkeit und Legenden vermischen sich immer mehr, je länger die betreffende Person bereits gestorben ist. Falls sie überhaupt gelebt hatte, denn bei etlichen davon ist es nicht einmal sicher, ob diese Heiligen überhaupt jemals lebten. Man betrachte nur Maria Magdalena, selbst heute noch gelegentlich Thema in der Kultur. Ob es sie gab, wissen wir nicht. Selbst die Bibel spricht nicht von „Der Maria Magdalena“ sondern erwähnt mehrere davon, denen sich noch einige namenslose Personen (reuige Sünderin) dazu gesellen und gerne mal zu einer einzigen Person zusammengefasst werden

Ein hervorragendes Beispiel der vielen Legenden ist die Heilige Lucia, bzw. Lucia von Syrakus. Dass sie lebte, dürfen wir als gesichert annehmen, denn bereits 400 ist eine entsprechende Grabinschrift in der Katakombe San Giovanni in Syrakus bekannt, sowie 200 Jahre später die ersten Klöster. Vermutlich lebte sie von 283 bis 304 nach Christus. Doch schon die ersten Beschreibung der Heiligen sind derart mit Legenden ausgeschmückt, dass man die wirkliche Person nicht mehr zu fassen bekommt.

Der Legende nach war sie eine Tochter eines reichen römischen Bürgers von Syrakus. Als dieser starb, wollte ihre Mutter sie verheiraten, doch die Tochter weigerte sich und ging auf Pilgerfahrt zum Grab der Heiligen Agatha in Catania. Dort riß sie sich ihre schönen Augen und schickte sie ihrem Verlobten, als Zeichen, dass sie ihn nie heiraten wird. Daraufhin erschien ihr Maria, die Mutter Gottes und gab ihr noch schönere Augen. Auch ihre schwer kranke Mutter wurde durch die Pilgerfahrt natürlich sofort geheilt.

Doch was sehen wir auf dem Bild? Wir befinden uns in der Zeit Diokletians, des römischen Kaisers, welcher, um es vereinfacht zu sagen, eine Rückkehr zu den alten Göttern predigt und eine rigoröse Christenverfolgung anstimmt. Der Bräutigam Lucias (der, dem sie ihre Augen geschickt hatte) denunziert sie als Christin vor dem Präfekten. Der Richter erteilt ihr die Strafe: sie soll in ein Bordell eingewiesen werden. Doch sie steht wie festgemauert auf dem Boden, ein ganzer Ochsengespann und die Kraft von 1000 Männern können sie keinen Milimeter rühren. Sie wird gezogen und gezerrt, aber ihre Füsse bleiben wie festzementiert auf dem Boden. Selbst ein mächtiger Zauberer kann den Bann nicht brechen. Das wütende Mob begießt sie mit Öl und stösst brennende Fackeln in ihre Seite, aber ihr geschieht nichts. Erst als ein Soldat ihr ein Schwert in die Kehle rammt, stirbt sie. Aber natürlich erst dann, nachdem sie eine Hostie von einem Priester überreicht bekam.

Interessanterweise könnte man einen Teil der Geschichte nachprüfen, zumindest ansatzweise, denn ihre Gebeine existieren auch noch heute. Sie liegen in San Geremia in Venedig in einem silbernen Schrein, nachdem sie 1038 kurz vor dem Fall Konstantiopels von dort nach Venedig überführt wurden. Zwischendurch wurden sie auch 1981 geklaut, tauchten aber wieder auf. Ob es allerdings wirklich ihr Leichnahm ist, steht nicht mit 100% Sicherheit fest, wie so vieles anderes in ihrem Leben.