Heute schauen wir uns eines meiner Lieblingsbilder der Frührenaissance: Maria der Verkündung von Antonello da Messina, dessen einfache, ruhige Art, die doch so viele Emotionen und Gefühle ausdrückt, einen Betrachter sofort vollkommen in seinen Bann zieht.
Das Gemälde bezieht sich auf eine Stelle aus dem Lukasevangelium. Gott schickte seinen Engel Gabriel zur Jungfrau Maria, welche zu dieser Zeit mit Josef verlobt war. Der Engel verkündet der über seine Erscheinung erschrockenen Maria, dass Gott sie ausgewählt hat, einen Sohn zu bekommen, der als Messias über die Welt herrschen wird. (LK 1,26-38).
Wir sehen hier Maria, wie sie gerade ein Buch gelesen hat. Keine Königin Maria, wie sie gern später abgebildet wird, im reichen Ornat inmitten von Menschen, die ihr Ehre bezeugen. Statt dessen sehen wir eine einfache, beinahe schon ärmliche Frau, die in ein schlichtes blaues Tuch gehüllt ist. Ihr Gesicht ist schön, aber einfach, nachdenklich, etwas erschrocken, umrahmt von zwei Dreiecken ihres Umhanges.
Sie ist so überrascht, dass sie ihre Hand hebt und sich von dem Buch abwendet, welches sie gerade gelesen hat. Vermutlich steht vor ihr der Engel, dessen Gloria ihr Gesicht erhellt. Es ist ein spannender Kunstgriff Messinas: die Hauptperson der Bibelstelle, der Engel Gabriel, erscheint gar nicht auf diesem Gemälde. Wir sehen lediglich das von ihm ausgehende Licht, welches das Gesicht Marias erleuchtet und können es nur vorstellen, dass er seitlich von ihr steht, dorthin, wo ihre leicht zugekniffenen Augen zeigen. Eine interessante Art, einem Dilemma vieler Maler zu entgehen: die Künstler stellen zwar Engel gern als Menschen mit Flügeln, doch in Wirklichkeit sollen sie ganz anders aussehen, nicht einmal unbedingt menschlich. So kann sich der Betrachter selbst sein Bild von dem Besucher schaffen.
Was hat Maria gerade gelesen? Schwer zu sagen, ganz eindeutig lassen sich die Buchstaben nicht zuordnen. Möglicherweise ist es Jes 7,14, eine Stelle aus dem Alten Testament, in der verkündet wird, dass eine Jungfrau schwanger wird und den Sohn Gottes auf die Welt bringt.
Ihre linke Hand hingegen hält ihren Umhang fest in einer anmutigen, einfachen Geste. Die zu ihr selbst gerichteten Finger jedoch könnten anzeigen, dass sie verstanden hatte, nun selbst der Empfänger dieser Verkündigung zu sein. Sie ist es selbst, die Jungfrau, die schwanger wird und den Sohn Gottes gebären wird.
Sie schaut selbst mit einer beinahe majestätischen Ergebenheit den Engel an. Sie hat ihre Aufgabe zur Kenntnis genommen, verstanden und sich gefügt. Maria hat begriffen, dass sie keine einfache Frau mehr wird, sondern vom Gott selbst eine Aufgabe bekommen hat. Ihre Lippen beginnen sich leicht zu einem beinahe übernatürlichen Lächeln zu öffnen, sie ist erfüllt mit Würde und Erhabenheit der künftigen Mutter Gottes.
Es ist faszinierend, mit welchen einfachen Mitteln derart umfangreicher Eindruck entstehen kann. Bis auf gelb-bräunliche Töne und den blauen Umfang ist das Farbspektrum des Gemäldes ziemlich klein. Doch der Kontrast aus Licht in ihrem Gesicht, umrahmt von ihrem Umhang, sowie der dunklen und harten Schatten um sie herum schafft ein einzigartes Klima im Bild.
Gemalt wurde das Bild schon irgendwann zwischen 1474 und 1476, zu Zeiten der Frührenaissance. Es ist mit gerade mal 45 x 35 cm auch recht klein. Und trotzdem so eindrucksvoll… Ach, es befindet sich in Galleria Regionale della Sicillia in Palermo, falls es jemand im Orginal sehen möchte