Paolo Veronese, bzw. eigentlich Paolo Cagliari, wie sein richtiger Name lautete, ist heutzutage abseits der Kunstwelt eher wenig bekannt, dabei gilt er als einer der bedeutendsten Maler der Spätrenaissance.

Daher werfen wir heute unseren Blick auf ein Gemälde von ihm, die „Salbung Davids“.

Wer ist der namensgebende David? Wie üblich in der Renaissance finden wir die Erklärung in der Bibel: David ist ein gewöhnlicher Hirtenjunge aus Bethlehem. Als Israel durch die bösen Philister angegriffen wird, stellen sich ihnen die mutigen Israeliten entgegen. Darunter ist auch Davids Bruder. Als David ihn aufsucht, hört er die fürchterlichen Lästerungen der Angreifer und, vom heiligen Zorn erfasst, stellt er sich den Philistern entgegen, indem er, ohne Rüstung und nur mit einer Steinschleuder bewaffnet, den mächtigen Krieger Goliath herausfordert, einen Riesen, dazu noch gepanzert in Bronze und Eisen. Doch ein Stein aus der Schleuder Davids trifft den Gegner an der Stirn und Goliath fällt zum Boden, so dass David ihn köpfen kann.

Schon als Kind war David jedoch kein gewöhnlicher Hirtenjunge, sondern wurde von Gott zum künftigen König Israels bestimmt. Der Prophet Samuel salbte ihn bereits als Knabe zum künftigen Herrscher und genau diesen Moment sehen wir auf dem Gemälde Veroneses.

Im Auftrag Gottes sollte Samuel nach Bethlehem gehen und ein Opfermahl darbringen. Einen der Anwesenden hätte Gott zum König auserkoren und der Prophet würde ihn während des Mahles salben mit dem heiligen Öl der Könige.

Etwas seitlich von der Mitte versetzt sehen wir den weißen Opferaltar und, noch etwas weiter rechts, den Bullen, der als Opfer dargebracht werden sollte, nun aber völlig unwichtig geworden ist dank der Auffindung des künftigen Königs. Ziemlich genau in der Mitte hingegen steht Samuel, ein älterer Herr in einer weißen und blauen Toga, mit einem goldenen Überwurf angezogen, der gerade das heilige Salbungsöl vorbereitet. Um ihn herum wuseln verschiedene Menschen, denn, wie die Bibel berichtet, haben sich viele vor Samuel begeben in der Hoffnung, vom Gott ausgewählt zu werden, doch der Prophet lehnte alle ab.

Erst als David zu ihm gebracht wurde, erkannte er den künftigen König. Wir sehen David, wie er auf dem Boden kniet, den Oberkörper frei, bereit zum Empfang der Salbung. Sein Blick ist allerdings ziemlich skeptisch, er wirkt sehr unsicher, wie gezwungen, es geschieht alles so schnell, dass der arme Junge wahrscheinlich gar nicht wirklich versteht, was ihm geschieht. Er trägt noch die ärmliche Kleidung eines Hirten und ist sogar barfuss, im großen Kontrast zu den reich angezogenen Menschen und der prunkvollen Vase hinter ihm auf dem Boden. Damit David in dem Gewusel nicht untergeht, steht hinter ihm ein weiterer junger Mann, der uns anblickt und mit dem Finger auf David zeigt, unsere ganze Aufmerksamkeit auf den künftigen König lenkend.

Faszinierend ist die räumliche Gestaltung des Gemäldes. Links und rechts sind Bereiche, die fast nur aus einer antikisierten Ruinenlandschaft und Stadtansicht bestehen, während sich die Menschen alle im mittleren Teil drängen. Eine mögliche Interpretation ist, dass David als König das zerfallende Israel im linken Teil des Gemäldes retten und zur seiner neuen Pracht rechts bringen soll. Der dunkle Schatten im linken Teil des Gemäldes, welches offenbar den flüchtenden Mann jagt, könnte der böse Geist sein (aka Teufel), der Saul, den aktuellen König Israels, bedroht und ängstigt. Rechts hingegen sehen wir prachtvolle Gebäude im hellen Sonnenschein, Menschen, die ihrer Tätigkeit nachgehen, alles Zeichen für Wohlstand und Sicherheit.

Der Mann links und die Frau mit Kind rechts sind zu uns mit dem Rücken gedreht, weshalb der Eindruck entsteht, vor allem wegen der monumentalen Größe des Gemäldes, wir als Betrachter würden mitten drin stehen, mit den beiden Gestalten einen Kreis um das Geschehen bilden. Wir werden richtig in das Geschehen reingezogen, werden Teil davon, sogar an der zentralen Stelle mit dem besten Blick auf die Ereignisse.

Jede abgebildete Person windet sich, dreht sich um, hebt die Hand, stützt sich ab, so dass Gefühl eines großen Gedränges voller Bewegungsdynamik entsteht, in dessen Mitte, ruhig wie ein Fels in der Brandung, Samuel steht, der andächtig das Öl gießt und sich durch absolut gar nichts aus der Ruhe bringen lässt, völlig versunken in seiner Tätigkeit.

An die österreichischen Leser hier: das Gemälde steht bei Euch in Wien, im Kunsthistorischen Museum. Immer eines Besuchs wert!