Jeronimus Franciscus Maria filius Philipi de Mazolis, wie Parmigianino eigentlich hieß, wurde am 11. Januar 1503 in Parma geboren, als achter Sohn einer künstlerisch geprägten Handwerkerfamilie. Er wurde nicht nur so alt wie der berühmte Raffael, nur 37 Jahre bevor ihn Malaria davonraffte, nein, sogar der große Vasario verglich ich ihn mit Raffael: „der Geist Raffaels sei in den Körper Francescos übergegangen“.
Bedingt durch sein kurzes Leben schuf Parmigianino nur wenige Meisterwerke, von denen die berühmte (aber auch die rätselhafteste) die „Madonna mit dem langen Hals“ ist.
Wenn Parmigianino mit dem Gemälde began, wissen wir nicht. Quellen sprechen von 1532, 1534 aber sogar noch von 1540, dem Jahr seines Todes. Das letzte Datum ist durchaus denkbar, denn das Bild ist unvollendet, große Flächen des Hintergrundes sind gar nicht ausgemalt.
An der zentralen Stelle steht natürlich die Madonna. Ihre ganze Gestalt ist langgestreckt, weshalb es zu einer fast schwanengleichen Verlängerung des Halses kommt (daher auch der Name). Doch nicht nur der Hals wird gestreckt, der gesamte Oberkörper sieht unnatürlich länglich aus. Ganz im Züge des Manierismus trennt sich Parmigianino hier von der Realität zugunsten einer übersteigerten Eleganz der Frau.
Madonna trägt ein Kleid, welches eher weniger würdevoll, als vielmehr zerknittert wirkt, sich fast wie eine nasse Bluse an den Körper der Frau schmiegend, ihn mehr betonend als verhüllend. Auch der blaue Mantel ist unordentlich umgeworfen, fast als würde er von ihrer Schulter gleiten und kurz davor stehen, herunter zu fallen.
Auf ihrem Schoß liegt das Kind, Jesus. Doch im Gegensatz zu den üblichen Darstellungen, die ihn eher als waches oder gar segnendes Kind zeigen, liegt Jesus hier schlapp, schlafend, die eine Hand hängt herunter, die zweite liegt bewegungslos am Arm der Mutter. Als würde sich das Kind davon drehen, beinahe abrutschen, nur gestützt von der Hand Marias. Gleichzeitig ist sein Schlaf sehr tief. Obwohl die Darstellung Mutter und Kind zm Thema hat, erinnert die Abbildung sehr an die Darstellung Marias, als sie den Leichnam Christus nach seinem Tod am Kreuz auf dem Schoß hält. Eine Parallele und Einspielung darauf, was kommt? Kind bereits in der Pose des Verstorbenen als Erahnung des kommenden Schicksals?
Der etwas unpassend wirkende kleine Mann rechts unten mit der Schriftrolle ist vielleicht ein Prophet, der das Kommen des Christus verkündet? Wir wissen es nicht.
Es finden sich aber weitere Symbole, die wir nicht verstehen. Die hohe Säule hinter der linken Schulter Marias trägt keinen Kapitell. Andeutung von einer Ruine als Stall, wo Jesus geboren wurde? Einfach nur architekturelles Ornament?
Und die große, sperrige Vase links? In der Dichtung der damaligen Zeit werden gern Schultern, Hals und Kopf einer Frau mit der Gestalt einer Vase verglichen. Parmigianino dilletierte aber in seinen letzten Lebensjahren auch in der Alchemie, vielleicht ist die Vase daher ein Gefäß zur Herstellung von Gold? So zart, wie der Engel sie hält, er spielt beinahe mit den Fingern an ihr, muss sie wertvoll sein, aber gleichzeitig sehr leicht, sie kann nicht mit Wein gefüllt sein, sonst würde er sie gar nicht halten können. Einfach nur ein Geschenk?
Schon die einfache Frage: sitzt Maria oder steht, läßt sich gar nicht so einfach beantworten. Wir sehen nur die Kissen unter ihren Füssen, doch deren Form verrät, dass sie mit Sicherheit nicht steht. Aber Sitzen auf einem Thron passt auch nicht ganz, so wie ihr Kleid fällt. Hockt sie nur ganz knapp an einem kleinen Vorsprung? Als Mutter Gottes und Königin des Himmels hockt sie sich nur etwas hin? Irgendwie unpassend… Oder schwebt sie gar?
Das gesamte Gemälde wirkt sehr unsymmetrisch. Links drängen sich die Engel, vor lauter Menschen sieht man nichts vom Hintergrund. Rechts hingegen steht nur die Säule und der zwergenhafte Gelehrte vor einem antiken Forum. Das Bild wird merkwürdig unlogisch aufgebaut, fast irreal, im Zentrum melancholisch und in sich versunken, links wiederum beweglich und stürmisch durch die Engeln, rechts leer und kahl durch die strenge Landschaft…