Eines der beliebtesten Motive der Renaissance ist die Abbildung Marias, in der Kunstwelt unter dem Oberbegriff Marienbildnisse zusammengefasst. Vor allem zwei Variationen dominieren: Maria alleine oder gemeinsam mit dem Jesuskind. Im letzten Falle meistens sehr vornehm, eine Königin oder beinahe selbst eine Göttin. Doch auch Abbildungen mit Maria als Mutter, liebevollen Mama, gelegentlich sogar vielmehr der großen Schwester angesichts ihres optischen Alters, des an ihrer Seite stehenden Jesuskindes sind zu finden.
Eine wesentlich seltenere Abwandlung des Marienbildnisses ist die Schwangere Madonna. Vor allem zu Beginn des 14. Jahrhunderts war dieses Motiv in der Toskana verbreitet, wo Maria in der Regel mit einem Buch abgebildet wurde, einer Anspielung auf Johannes 1:14
„Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Zitat nach Lutherbibel).
Die Madonna del Parto (Madonna der Geburt) von Piero della Francesca, sticht mit einer völlig anderen Umsetzung des Motives hervor: Maria hält kein Buch, sondern ist eindeutig schwanger, mit einem deutlich hervorspringenden Bauch, in welchem sich der kleine Jesus befindet.
Madonna del Parto ist ein Fresko mit einer sehr ereignisreichen Geschichte. Es wurde gemalt vermutlich zwischen 1450 und 1475 in der Apsis der Friedhofskapelle Santa Maria in Silvis in Monterchi. Dort blieb es auch die ersten dreihundert Jahre seines Bestehens, bevor ein starkes Erdbeben diese Kapelle stark beschädigte.
Vorsichtig entfernt, wurde es an den Hochaltar der anderen Friedhofskapelle Santa Maria di Momentana versetzt, wo es über einem anderen Fresko gleichen Themas überstülpt wurde. Doch auch da erreichten es die Erdbeben, 1917 musste es aus der nun jetzt auch beschädigten Santa Maria di Momentana abgetragen werden. Nach einer Restauration von Dino Dini befindet sich das Fresko seit 1992 im eigenen Museum in Monterchi.
Madonna del Parto
Maria, hier als eine junge, aber vornehme und durch die fortgeschrittene Schwangerschaft etwas schwerfällig gewordene Frau dominiert das Zentrum des Freskos. Sie trägt ein blaues, langes Gewand mit bauschigen Armen. Es spannt so sehr durch den vollen Bauch, dass sich weißes Untergewand dazwischen mogelt. Die Geburt ist nicht mehr weit entfernt, erahnen wir aus dieser Wölbung.
Ihr Blick ist sehr nachdenklich, ernst, in sich versunken, als würde sie bereits ahnen, was ihr und vor allem ihrem Sohn bevorsteht. Sie stützt sich mit der linken Hand etwas in der Hüfte, in einer Pose, die vielen Hochschwangeren sehr bekannt vorkommen wird, während ihre rechte Hand zärtlich ihren Bauch und damit ihr noch Ungeborenes, streicht.
Dass sie eine Edeldame ist, beweist nicht nur das schöne Kleid, sondern auch die kunstvoll geflochtene Frisur mit weißen Bändern, die einen regelrechten Heiligenschein um ihren Kopf bildet.
Mit einer schwungvollen Bewegung öffnen und halten zwei Engel den Vorhang zur Seite, hinter dem sich Maria bis soeben befand, und zeigen sie dem Betrachter. Der Vorhang des Baldachins ist aus schwerem, mit Pelzen gefüttertem, wertvollem Stoff, bestickt mit Granatäpfeln, in der christlichen Mythologie Symbol der Ewigkeit und des Christus.
Die Engeln sich sich beide merkwürdig ähnlich, bis auf ihre Farben und die spiegelverkehrte Position. Das ist auch nicht verwunderlich, denn beide wurden nach genau demselben Karton gemalt, der einmal so und einmal umgedreht gehalten wurde. Auch ihre Farben sind komplementär: der linke Engel hat da Rot, wo der rechte Grün trägt und umgekehrt, so dass nicht nur die Spiegelung der Gestalten, sondern auch der Farben ihre Positionen auszeichnet.
Das Fresko ist leider nicht vollständig erhalten. Der teil direkt über dem Baldachin fehlt. Wann es verloren gegangen ist und was sich darauf befand, wissen wir leider nicht.