Es gibt nur wenig Gemälde auf der Welt, die es mit der Symbolik der „Verleumdung des Apelles“ von Sandro Botticelli aufnehmen können
Dass bereits in der Antike wunderschöne Gemälde gemalt wurden, wissen wir. Nur erhalten sind davon so gut wie gar keine mehr, uns bleiben fast nur schriftliche Zeugnisse in der antiken Literatur, die Apelles, den Zeitgenossen Alexanders des Großen, als einen der grössten Maler aller Zeiten (aus Sicht der antiken Welt natürlich) bezeichnen. Auch vom Orginal dieses Themas, gemalt von eigener Hand Apelles, wissen wir nur aus der Beschreibung von Lukian.
Apelles wurde einst von seinem Rivalen, dem Maler Antiphilos, der Verschwörung gegen den König von Ägypten beschuldigt. Möglicherweise wählte daher Botticelli genau dieses Thema aus, denn auch er wurde zu dieser Zeit einer von ihm als ungerechten empfundenen Anschuldigung ausgesetzt: der damals als Sodomie strafbaren Homosexualität. Mit dem Gemälde wollte er daher vermutlich betonen, wie ungerecht diese Behauptung war, denn in der damaligen Zeit konnte sie schnell zum Tod auf dem Scheiterhaufen oder im Kerker führen.
Apelles, als ein beinahe nackter Mann, der nur einen Lendenschurz trägt, liegt auf dem Boden und wird von einer schönen jungen Frau an den Haaren vor den Antlitz des Königs gezerrt. Es ist die Verleumdung, deren große Fackel in der Hand suggeriert, wie sich Lügen und falsche Behauptungen verbreiten können, so schnell wie das Licht. Ihr schönes Haar richtet gerade die Schurkerei oder Betrug mit weißen Bänden zusammen, während die Nachstellung ihren Kopf mit Rosen schmückt.
Paradoxerweise gelten ja Rosen und weiße Bände eigentlich als Zeichen der Reinheit und Unschuld, doch dadurch, dass sie in den Händen des Bösen und Schurkerei liegen, zeigt, dass sich eben auch Bosheit hinter vorgeblicher Reinheit und Schönheit befinden kann…
Der in armselige, dunkle Kleidung gehüllter Mann ist möglicherweise Antiphilos, der Ankläger, denn er hält die Verleumdung an der Hand und zerrt sie vor den Thron des Königs. Er symbolisiert und trahlt puren Hass aus und gleichzeitig verdeckt er den auf dem Boden liegenden Apelles. Der König kann den Künstler gar nicht richtig erkennen, er sieht nur den mit Bosheit erfüllten Ankläger. Der Maler selbst kann sich nicht wehren, sein Kopf ist abgewandt, seine Stimme würde gar nicht bis zum König durchdringen. Der König sieht so gar nicht die wahren Tatsachen, sondern nur das, was der Hass ihm vorerzählt.
Der König, ein kleines lustiges Detail, besitzt gewaltige Eselsohren, in die zwei Frauen, die Dummheit und Anmassung, weitere Verleumdungen flüstern. Er scheint ihnen nicht ganz zu glauben, er wirkt jedoch erdrückt und ermüdet von ihrem Geschwätz, neigt sich unter dieser Last nach vorne, doch wie kann er einen gerechten Urteil fallen, wenn er von Hass, Dummheit und Anmassung so bedrängt wird, dass er keinen klaren Gedanken fassen kann? Selbst berechtigter Zweifel des Königs wird unterdrückt, wenn man nur kräftig genug Hass und Verleumdung auf die Urteilskraft des Menschen wirken lässt…
Links wiederum steht eine weitere schöne, nackte Frau, eine der typischen Venus-Typen des Malers. Im Gegensatz zum Gedränge und dem Getobe auf der rechten Seite, wo Haar flattern, Geschrei und Gezappel herrscht, wirkt sie ruhig, abgewandt. Es ist die Wahrheit, die nackte Wahrheit, die nichts zu verstecken hat. Sie hebt die Hand gen Himmel um diesen als Zeuge aufzurufen, gleichzeitig aber auch um zu zeigen, dass dieser die richtigen Tatsachen kennt und am Ende die Wahrheit triumphieren wird.
Neben ihr steht eine schwarz verhülte Gestalt. Als Gegenpol zu der Schönheit neben ihr ist sie ältlich, hässlich und runzelig. Je nach Interpretation ist es wahlweise die Personifikation der Reue oder die Bestrafung, welche mit Verachtung und Herablassung auf die Wahrheit schaut.
Auch der Raum, in welchem das Geschehene stattfindet, ist voller Symbolik. Wir finden Szenen aus dem Kampf der Zentauren, aus dem Mythos der Ariadne, von Bacchus, aber auch christliche Symbolik wie Judith mit dem Kopf des Holofernes.
Kennt Ihr eigentlich den Spruch „Schuster bleib bei den Leisten“? Kaum einer weiß, dass dieser auf unseren Künstler Apelles zurückgeht. Er versteckte sich nämlich gern hinter seinen Gemälden, um zu hören, was die Betrachter dazu sagen. Selbst großen Künstlern ist Eitelkeit eben nicht fremd… Eines Tages stand ein Schuster vor seinem Gemälde und bemängelte, dass eine Öse auf dem gemalten Schuh zu wenig ist. Apelles hat es unverzüglich korrigiert. Doch der Schuster war immer noch nicht zufrieden und wandte ein, die Schenkel seien nicht richtig. Daraufhin erwiderte Apelles genervt: „Schuster, nicht über die Sandale hinaus!“ (ne supra crepidam sutor iudicaret). Im Laufe der Zeit wandelte sich der Spruch zu dem uns bekannten: „Schuster bleib bei den Leisten“.
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