Wer von Euch hätte nicht gern eines der berühmtesten Gemälde der Welt für gerade mal den Preis eines Steaks mit Rosmarinkartoffeln in einem gutbürgerlichen Gasthof gekauft?
Aus heutiger Zeit ist es kaum vorstellbar, dass ein Künstler wie Vermeer und vor allem sein Bild „Das Mädchen mit den Perlenohrringen“ um ein Haar im Schatten der Geschichte verschwinden wären. Vielleicht hätten sich nur ein paar Stadtchronisten an ihn erinnert und das Gemälde selbst würde in irgendeiner guten Stube hängen oder gar auf dem Müll verschwinden, wie vermutlich viele andere unerkannte Meisterwerke im Laufe der Jahrhunderte.
Denn Vermeer wurde tatsächlich für zweihundert Jahre vergessen. Als er mit gerade mal 34 Jahren starb, war er zwar in seiner Heimatstadt Delft bekannt, aber außerhalb kannte ihn kaum jemand. Pieter van Rujiven, ein lokaler Grande, kaufte anschließend den großen Teil seiner Gemälde, was zwar für die verarmte Familie (er hatte 11 Kinder!) ein Segen war, aber verhinderte somit auch weitere Verbreitung seiner Werke. Vermeer hatte er nie Schüler besessen, die seinen Still weiter ausbreiten konnten, noch war er groß geschäftlich oder werbetreibend in seiner Sache tätig, dafür ließ ihm seine große Familie keine Zeit.
Seinen Nachlaß übernahm übrigens nach Vermeers Tod Anthonie van Leeuwenhoek, einer der größten Wissenschaftlicher aller Zeit. Wer ihn nicht kennt, empfehle ich sehr, sich mit dem Schöpfer der Mikrobiologie und somit dem Ur-, Ur-, Urvater der Covid-Impfungen zu beschäftigen!
Unser Vermeer verschwand also aus den Seiten der Geschichte. Zwar nicht ganz, denn das eine oder andere Gemälde wurde von Kunsthistorikern und Sammlern zwar anerkannt, aber… anderen Malern zugeordnet, wie Gabriel Metsu oder Frans van Mieris. Das Wiederentdecken des Künstlers began eigentlich mit einem Zufall: bei einem Besuch in der Czernin Gemäldegallerie in Wien erkannte der deutsche Kunsthistoriker Gustav Waagen, dass das dort aufgehängte Gemälde „Die Malkunst“ von Vermeer war und nicht, wie dort beschrieben, von Pieter de Hoocht.
Durch das plötzliche erwachende Interesse an Vermeer machte sich Théophile Thoré-Bürger, ein Journalist und Kunstkritiker auf die Suche nach weiteren Werken des Künstlers. Er entdeckte viele davon in Privatsammlungen oder in Museen, wo sie unter einem falschen Namen hingen und gilt daher als Wiederentdecker von Johannes Vermeer. Da klingt es wirklich wie ein Hohn der Geschichte, dass er das berühmteste Kunstwerk des Malers nie zum Sehen bekam.
Thoré-Bürger starb bereits 1869, doch das „Mädchen mit dem Perlenohring“ tauchte zum ersten Mal erst 1881 auf einer Auktion in Den Hague. Es war schmutzig, verdunkelt, kaum etwas zu erkennen. Der Firnis war braun geworden, alles in allem war das Gemälde sehr unansehnlich geworden. Niemand wollte es haben. Doch im Publikum saß Victor der Stuers, ein anerkannter Kunsthistoriker und Kunstreferent des königlich niederländischen Ministeriums des Inneren. Ihm und nur ihm fiel auf, was für eine Preziose sich hier befindet. Ob er bereits schon das Werk Vermeer erkannte, wie manche Quellen behaupten, oder einfach nur irgendeinen berühmten Maler hinter dem grandiosen Werk vermutete, wie andere sagen, ist leider unklar. Doch de Stuers empfahl dem Kunstsammler Arnoldus Andries des Tombe den Kauf des Gemäldes. Des Tombe war der einzige Bieter und kaufte das Werk für gerade mal 2 Gulden und 30 Cent. Das entspricht etwa dem Betrag von 25 EUR heutzutage… Wenn das kein Schnäppchen ist…
Das Werk wurde aufwendig gereinigt und, wie zumindest manche Quellen behaupten, entdeckte man erst jetzt die Signatur „IVMeer“, die das Gemälde eindeutig Vermeer zuordnete. Die Freudensprünge im Hause des Tombes kann sich wohl jeder vorstellen…
Bis 1902 hing das Kunstwerk im Hause des Tombes, bevor es nach seinem Tod zusammen mit 15 weiteren Werken dem Mauritshuis vermachtet wurde, wo es bis heute hängt.
Übrigens, die Wissenschaftler des Museum Mauritshuis gehen davon aus, dass es gar keine Perle ist in ihrem Ohrring. Sie ist dafür zu groß (bzw. eine Perle dieser Größe wäre unbezahlbar) und die Reflexionen passen nicht. Vermutlich ist es daher nur eine silberne Kugel oder eine Glasperle. Für uns bleibt sie aber „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“.